„Offenbarungseid, verpasste Gelegenheit“
2. Juli 2025
Ende Juni hat das Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMBFSFJ) dem Bundestag seine Ergebnisse vorgelegt zur unabhängigen Evaluation über das Prostituiertengesetz (ProstSchG). 2017 wurde das Gesetz eingeführt, „um die sexuelle Selbstbestimmung und Arbeitsbedingungen sowie den Schutz der Prostituierten vor Zwang und sexueller Ausbeutung“ (im ‚Bordell Europas‘ Deutschland) „zu stärken.“ Doch es gab sehr viel Kritik an diesem Gesetz. Durchgeführt hat die dreijährige Evaluation das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachen (KFN). Erfahrungen an Ländern, Verbänden und Betroffenen sollen eingeflossen sein. Ihr Fazit: Das ProstSchG habe mehr Stärken (Potenzial) als Schwächen. Die fand das Forschungsteam „weitgehend behebbar“.
Im Vorfeld gab es viele Diskussionen und Anhörungen im Bundestag. Ist die Evaluation gelungen?
Bewertung durch die Fachwelt
Frank Heinrich, Vorsitzender des Netzwerks gegen Menschenhandel, der sich für das Nordische Modell1 ausspricht, vertritt im Interview mit der „PRO“ die Ansicht, es sei gut, dass nun eine unabhängige Expertenkommission für das weitere Vorgehen einberufen werden soll. Allerdings beurteilt er, dass die gesamten Stichproben schwere wissenschaftliche Mängel aufweisen würden und es in Deutschland ein komplettes Umdenken brauche. Die Empfehlung der Forschungsgruppe, zu prüfen, ob das ProstSchG auch auf Minderjährige ausweitet werden solle, nannte er einen „Offenbarungseid“. Denn die ist schließlich illegal. Die Aussage erwecke den Einruck, die Prostitution von Minderjährigen einfach hinnehmen und legalisieren zu wollen.
Der Berliner Verein „Neustart“ kommentiert: „Prostitution sollte aus dem Dunkelfeld ins Hellfeld geholt werden. Nichts davon konnte realisiert werden. Die Verelendung hat zugenommen, es gibt keinen wirksamen Schutz vor sexueller Ausbeutung.“ (Quelle: Heftige Kritik an Auswertung von Prostituiertenschutzgesetz)
SOLWODIS Fazit: Die Evaluierung sei „eine verpasste Gelegenheit“ und der Bundesverband „Nordisches Modell“ spricht von einem „sehr verzerrten Bild“.
(Quellen: Wenn Wissenschaft und Praxis auseinanderklaffen – Evaluation des deutschen Prostitutionsgesetzes veröffentlicht – Gemeinsam gegen Menschenhandel e.V.; 20250625_PM_SOLWODI_Evaluation_Prostituiertenschutzgesetz.pdf und PM 06-2025 Evaluation ProstSchG)
Wir danken allen Organisationen und Freunden, die sich weiter für ein Gesetz stark machen, das Prostituierte tatsächlich schützt!
- Nordisches Modell: Sexkaufverbot, nach dem sich die Freier strafbar machen, wenn sie Dienste von Prostituierten in Anspruch nehmen, nicht aber die Prostituierten selbst. ↩︎